Ein Stapel von Fotografien. Ein Archiv. Es ruft auf, will gesehen, gelesen, erinnert und interpretiert werden. Es weckt Neugierde, Faszination, Fetischisierung. Obwohl die Bilder schweigen, hängt sich eine Stimme – ein Pinsel, ein Stift, Lederstücke, zerrissener Stoff – an die Fotografien und zieht neue Linien, die sich von ihrem Rahmen ausbreiten und zu Fasern werden. Zu einem Teppich aus imaginierten Erzählungen geflochten werden, die sowohl privat als auch gemein sind. Eine Geste des Zurücktretens, eine Erweiterung des Rahmens, da der Fotograf, der Schuster, zur Leiste wird.
Der Schuster fotografiert, die von ihm hergestellten Schuhe. Ein Paar Schuhe und nichts weiter. Und dennoch. Er hält einen Stiefel in seiner Hand. Er legt ein Paar auf den Arbeitstisch oder stellt sie vor einen DIY-Hintergrund, wobei er Farben, Muster und andere Besonderheiten hervorhebt. Nach der Herstellung aus dem positiven Leisten, der formgebenden fußartigen Holzform, wird jeder Schuh vom Schuster (neu) gerahmt – das Bild des Schuhs wird auf dem Filmnegativ festgehalten, aus der Gebrauchs- und Arbeitswelt in die Bilderwelt zurückgeholt. Als ungetragen eingefangen, bevor die Zeit die Möglichkeit hat, sie umzuformen.
Jede dieser Fotografien wurde aus einem Grund aufgenommen, aufbewahrt und gezeigt. Aus dem Negativ entwickelt, wurden sie wieder positiv. Sie sollten bewahrt und beschützt werden. Sie sollten privat oder öffentlich, im Familienkreis oder in der Gemeinschaft gezeigt werden. Diese Bilder könnten mehrfach oder widersprüchlich verwendet werden, aber wenn der Schuster auf die Fotografien hinunterblickt, flackert sein schwaches Spiegelbild auf der glänzenden Beschichtung.
· Ben Livne Weitzman