Gesellenstück
Gesellen-stück
Installation, Performance und digitale Malerei
Die fotografische Untersuchung „Gesellenstück“ ist inspiriert von Martin Kippenbergers Ausstellung „Peter – Die russische Stellung“ in der Galerie Max Hetzler, in der Kippenberger versuchte, alle Probleme und Anforderungen der Bildhauerei zu diskutieren.
Ich habe diese Idee auf meine eigene Fotografie übertragen und damit Themen wie Indexikalität, Perspektive und Malerei verhandelt, die nicht unbedingt in einzelnen Werken vorkommen, sondern sich in der Arbeit gegenseitig durchdringen.
In dieser Arbeit taucht derselbe Teppich dreimal auf: in einem Bild aus dem Jahr 1982, das ich in meinem Familienarchiv gefunden habe, in einer Langzeitbelichtung, die vor der Ausstellungseröffnung während der Performance „Dissidenz“ aufgenommen wurde, in der ich den perfekten Faltenwurf des Teppichs suche, und in seiner physischen Form als Überbleibsel der Performance, bei der er liegen blieb.
Diese Elemente bilden den Kern der Arbeit, die darin besteht, analoges Material wie digitale Gemälde zu behandeln, indem ich zum Beispiel Wolken am Computer male.
Diese Arbeit erhielt den Förderpreis der Deutschen Börse Photography Foundation und HfG.
Installationsansicht, 12m, ‚Reality Check‘, Isenburger Schloss, Offenbach am Main (DE), 2015
Umfang: 11 Lambda Belichtungen unterschiedlicher Größe auf 300g Hahnemühle Photorag Ultrasmooth, 1 x 9 x 13 cm Kodak Print, Teppich, Performance, Postkartenständer
Dissidenz, Performance Dokumentation, ‚The Biography of Things‘, Art Collection Deutsche Börse, Frankfurt am Main (DE), 2018
[…]
In seiner Arbeit adaptiert Weissbeck den Ansatz Martin Kippenbergers, die Probleme und Anforderungen eines Mediums zu untersuchen und zu thematisieren, und unterstellt diese seinen eigenen Interessen. Die Arbeit besteht aus der Dokumentation des so genannten „perfekten“ Faltenwurfs eines alten Teppichs, der Performance, die ihn in seiner Form hervorgebracht hat, der Verwendung eines Postkartenständers mit einer Postkarte voller Postkarten (eine rhetorische Wendung im Sinne Gertrude Steins) und mehreren Bildern, die die malerischen Möglichkeiten der zeitgenössischen digitalen Fotobearbeitung zeigen.
Die Arbeit oszilliert zwischen der Thematisierung ihrer Fragilität und des eigenen Potenzials zum Scheitern. Doch zwischen verspieltem Humor und assoziativer Poesie, findet sie einen Ausweg in künstlerische Autonomie, wenn beispielsweise die Form der Hutkrempe eines Pappcowboys sich an anderer Stelle gespiegelt in einem digital verlängerten, Flamingo-farbenen Neonschlenker in einer wolkenverhangenen Decke fortsetzt.
· Andreas Schlaegel für ‚Reality Check‘
Installationsansicht, ‚Reality Check‘, Isenburger Schloss, Offenbach am Main (DE), 2015
Installationsansicht, ‚Reality Check‘, Isenburger Schloss, Offenbach am Main (DE), 2015
Was du siehst… Glühend schiebt sich das Licht der Sonne als gleißender Feuerball vor das Auge der Kamera. Inmitten eines wolkenbehangenen Himmels macht ein schwarzer Rahmen eine Fotografie als analoges Dia erkennbar. Die ausgefransten Ecken und Kanten funktionieren als Beleg des manuellen Herstellungsverfahrens. Auch innerhalb des Rahmens säumt sich der Himmel um die Umrisse des Bildgegenstandes und kontextualisiert diesen in seiner natürlichen Herkunft. Lichtreflexe und Schattenwürfe verweisen auf eine vergangene Materialität und Räumlichkeit und verleihen der abgebildeten Situation ihre Authentizität. Ein schwarzer Punkt auf dem Sensor der Kamera, der sich fast unbemerkt auf die Bildoberfläche legt, bezeugt die Anwesenheit des fotografischen Apparats. Malerisch fängt die Fotografie den perfekten Moment der Wirklichkeit ein.
…ist nicht was du siehst. Der Blitz der Kamera reflektiert als gleißender Feuerball und lässt die Technik zum Zeugnis ihrer selbst werden. Der malerische Duktus des digitalen Rauschens umgibt ein Bild, welches erfolglos bemüht ist sich als analoge Aufnahme zu tarnen. Die geometrische Genauigkeit seines Rahmens lässt seine digitale Konstruktion ersichtlich werden. Auch innerhalb der Bildsituation interveniert die Digitalität mit der Glaubwürdigkeit vergangener Analogie und stellt die abbildende Funktion der Fotografie in Frage. Lichtreflexe und Schattenwürfe befreien sich, werden zum Gestus künstlerischer Komposition und fungieren als Beleg virtueller Räumlichkeit. Ein einzelner Punkt in seiner Willkür erscheint als Ausgangspunkt individueller Freiheit. Malerisch erschafft die Fotografie den perfekten Moment.
Gesellenstück heißt die Arbeit, in der sich Rudi Weissbeck der Beschaffenheit unserer heutigen Realität widmet und ihre Konstruktionsfähigkeit im Sujet und Produktionsverfahren verschmelzen lässt. Die Dreidimensionalität unserer physischen Umgebung wird nicht nur abgebildet, sondern gleichsam um die Dimension des Digitalen erweitert. Beide finden in der fotografischen Arbeit ihre Entsprechung und erlangen Authentizität.So werden sie zu hybriden Bilddingen-Dingbildern und tragen zur Erweiterung unserer Wirklichkeit – Dingwelt – bei.
· Hendrike Nagel für ‚The Biography of Things‘
Am 10. Juli hat die Deutsche Börse den Foto-Förderpreis von Deutscher Börse und HfG verliehen. […] In der Jury des diesjährigen Preises saßen die Fotografin Barbara Klemm, HfG-Präsident Bernd Kracke und Anne-Marie Beckmann, Kuratorin der Art Collection Deutsche Börse.
[…]
Rudi Weissbecks ‚Gesellenstück‘ ist eine gelungene und zum Nachdenken anregende Auseinandersetzung mit der Darstellung und Erschaffung von Wirklichkeit. Weissbeck zeigt durch seine sorgfältig komponierte Anordnung verschiedener Sujets im Raum die vielfältigen technischen und visuellen Möglichkeiten des Mediums Fotografie auf.
· aus dem Statement der Jury
Installationsansicht, 5m, ‚The Biography of Things‘, Art Collection
Deutsche Börse, Frankfurt am Main (DE), 2018, © Albrecht Haag